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Früher hatten wir Mediziner es vorrangig mit
Infektionskrankheiten wie Tuberkulosen, Ruhr, Typhus, Syphilis,
Pest und Cholera zu tun; heute dagegen beschäftigen uns mehr und
mehr Beziehungskrankheiten, d.h. eine dysfunktionale (angstbesetzte)
Kommunikation, sei es eines Menschen mit sich selber (= intrapsychisch),
sei es der Menschen untereinander (= interpsychisch), kann genauso
zu einer Erkrankung führen wie Bakterien, Viren, chemisch/physikalische
Noxen, usw. Insofern verstehe ich mich heute eher als ein Kommunikationstrainer!
Ich gehe strikt davon aus, dass ein jeder Mensch
bei seiner Geburt über sämtliche Anlagen zu allen Fähigkeiten,
zu allen Gefühlen und zu allem Denken, was später für ein erfolgreiches
Leben notwendig ist, verfügt. Diese Anlagen aber können nur dann
zum Wachsen, Blühen und Gedeihen kommen, wenn ein entsprechendes
Elternhaus dies möglich macht.
Ohne den Eltern einen Vorwurf machen zu wollen,
denn sie hatten ja auch Eltern, verlässt wohl kaum ein Mensch
sein Elternhaus ins Erwachsenenleben hinein, ohne nicht eine Einschränkung,
sei es im Verhalten, sei es im Fühlen, sei es im Denken (Emotion,
Kognition, Verhalten), verinnerlicht haben zu müssen. Kommt nun
eine Aufgabe auf einen Menschen zu, die genau dasjenige Werkzeug
erfordert, welches einem einst in der Kindheit verboten worden
war, gerät dieses Individuum in eine Ohnmachtsituation, Hilflosigkeit,
welche sie entweder mit Feindseligkeit nach außen, gleich das
sog. Böse, und/oder aber als Feindseligkeit gegen sich selber,
gleich Krankheit, zu richten vermag: die Fähigkeit zum Handeln,
bzw. zum Lieben (Partnerschaftsfähigkeit), sind dann eingeschränkt.
Ein biologisches System muss schwingen: dies
ist einem Menschen dann möglich, wenn er "möglichst bis abends"
jeweils alle anstehenden Hausaufgaben erfolgreich gelöst hat.
Ist ihm ein solches nicht möglich, so gerät er in eine anhaltende
Anspannung. Disstress, welche in Kombination mit ungünstigen Erbfaktoren
und/oder aber zufällig anwesenden Bakterien/Viren dann zu einer
Krankheit führt. Nobelpreisträger I. Prigogine fand heraus, dass
ein organisches System, sei es eine Pflanze, sei es ein Tier,
sei es ein Mensch, über die Zeit nur dann zu überleben vermag,
wenn sich Anspannung und Entspannung ständig abwechseln: ein biologisches
System muss schwingen. Die Einschränkungen, bzw. die Verbote im
Handeln und Fühlen sind einem Menschen über Angstmachen implementiert
worden, und diese Ängste finden wir nach Prof. LeDoux in den Mandelkernen
im Hypothalamus.
U.a. nach M. Spitzer, ein ausgewiesener Psychiater
und Neurobiologe in Ulm, sind neue synaptische Verschaltungen
im Gehirn nur dann zu erzielen, wenn die betreffende Person sich
ein neues Verhalten traut, d.h. in Handlung geht (reden allein
bringt keine Veränderung im Gehirn).
Insofern muss die Therapie darauf abzielen:
- dem Patienten seine, ihm einst anerzogenen und dann verinnerlichten,
in den Mandelkernen liegenden Ängste bewusst zu machen (über
"gelungene" Abwehrstrategien hat er diese bisher im Unterbewussten
verdrängt gehalten. Z.B. jemand, der in seiner Kindheit zu verinnerlichen
hatte, nur keine Fehler zu machen, wird als Abwehr den Hang
zur Perfektion einsetzen).
- ist dem Patienten Mut zu machen, genau dasjenige zu wagen,
was ihm bisher verboten war. Also, dass er z.B. jetzt Fehler
machen darf, bzw. Andere enttäuschen darf, bzw. auch einmal
schuldig sein darf.
Nur ein permanentes Üben, begleitet von emotional
positiven Bildern (siehe J. U. Martens und J. Kuhl "Die Kunst
der Selbstmotivierung"), bringt neue synaptische Schaltungen,
die dann eines Tages die alten, angstbesetzten neuronalen Pfade
in den Hintergrund drängen. Diese neuen Schaltungen bewirken dann
"einen vollen Werkzeugkoffer an Lebensbewältigungsstrategien",
was es dem Individuum jetzt ermöglicht, alle alltäglich anfallenden
Probleme zu lösen. Es gibt kein Grübeln mehr, und somit keine
anhaltende Anspannung, und somit keine Symptombildung, keine psychologisch
mitbedingte Erkrankung.
Zwei Krankengeschichten mögen das bisher gesagte
illustrieren:
Morbus Bechterew: Ein junger Student, nennen wir ihn Alex,
war so heftig von dieser rheumatischen Erkrankung heimgesucht
worden, dass er liegend auf einer fahrbaren Trage in die Rheumaklinik
in Wiesbaden eingeliefert werden musste. Bereits im ersten Gespräch
mit mir konnte herausgearbeitet werden, dass er massive Schwierigkeiten
hatte, eine Entscheidung zu treffen: Er war dabei, Mathematik
zu studieren. Nebenbei aber spielte er in einer Band E-Gitarre,
was seinem Vater, einem türkischen Unternehmer, gar nicht gefiel.
Um nun in seinem Spiel besser zu werden, brauchte er eine anspruchsvollere
Gitarre. Kaufen oder nicht kaufen war jetzt für ihn die Frage.
(Vater würde ihm sicherlich die schwersten Vorwürfe machen, für
solch einen Unsinn so viel Geld auszugeben. Schon immer hatte
ihm sein Vater aufgezeigt, dass das, was er machte, falsch war!,
bzw. "solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst!......").
Somit verinnerlichte Alex den Wahlspruch: Nur keinen Fehler machen!,
bzw. nur nicht andere enttäuschen!, bzw. nicht schuldig werden!
D. h., sein Schuldgefühl wurde durch den väterlichen Erziehungsstil
viel zu intensiv ausgebildet.
Die aus dem sich nicht Entscheiden Können resultierende,
anhaltende Anspannung, hatte nun sein Körper in die Symptomatik
eines M. Bechterew umgesetzt. Beweis: Der Vater wurde in die Therapie
mit einbezogen: Der Sohn durfte sich die ersehnte Gitarre kaufen.
Ein Jahr später schmiss Alex sein Mathe Studium und schrieb sich
in der Uni Mainz im Fach Musik, Abteilung Gitarre ein und hat
eben ein Einser Examen hingelegt. Seit 5 Jahren hat er keine rheumatischen
Beschwerden mehr!
Koronare Herzkrankheit: Walter, damals
50 Jahre jung, benötigte von einem Tag auf den anderen eine Erweiterung
der Herzkranzgefäße, obwohl schlank wie eine Tanne, kein Zucker,
kein Hochdruck, keine erhöhten Blutfettwerte und sportlich aktiv.
Die Dilatation misslang gründlich, so dass notfallmäßig der Brustkorb
geöffnet und 2 Bypasse gesetzt werden mussten. 4 Monate später
erfüllte er die Bedingungen für das Sportabzeichen und dies die
nächsten 4 Jahre wieder. 6 Jahre ging es gut, dann war wieder
eine Dilatation notwendig. Trotz aller Medikamente und auch sportlicher
Tätigkeit ereignete sich dann 15 Jahre nach dem ersten Eingriff
ein manifester Myokardinfarkt an der Herzspitze. Jetzt endlich
wurde Walter bewusst, was ihn bisher ununterbrochen in eine anhaltende
Anspannung versetzt hatte: Eine unglaubliche Angst zu versagen.
War er in seiner Jugend mit einer Note 2 nach Hause gekommen,
hieß es kühl: "Was nur eine 2?!"; war es mal eine Eins, so hieß
es "Na, es hatten wohl alle eine Eins!"; war es eine Vier und
schlechter, gab es Prügel und nicht zu knapp mit dem Kommentar:
"Wozu habe ich Dich bloß durch die Russenzeit (1945 -46) geschleppt!
Hätte ich Dich doch dort nur verrecken lassen! Schäm Dich,
mir so etwas anzutun!"
Sein Schamgefühl war viel zu intensiv ausgebildet
worden und wurde so bei dem geringsten Anlass evtl. versagen zu
können, aktiviert.
Die Folge: Eine anhaltende Anspannung (Sein Großvater
mütterlicherseits war an einem Herzinfarkt früh verstorben = genetische
Belastung!). Nachdem nun Walter gelernt hat, sein bisher überzogenes
Schamgefühl runterzutrainieren, benötigte er während der letzten
5 ½ Jahre keine Dilatation mehr und er ist sportlich fit. Eminent
wichtig ist es mir an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass
es für mich fast eine conditio sine qua non ist, den jeweiligen
Partner, die ganze Familie, eines Index Patienten (gleich der
identifizierte Patient, der Kranke) in die Therapie mit einzubeziehen!!!:
Dem Index Patienten wird es nur mühsam, oder aber auch gar nicht
gelingen, sein Verhalten in Zukunft zu ändern, wenn sein Umfeld
nicht mitzieht - oder aber Scheidung steht im Raum! : Alex hätte
sich wohl kaum je getraut, eine neue Gitarre zu kaufen, wenn sein
Vater - motiviert durch den Therapeuten -, nicht zugestimmt hätte.
Walters Ehefrau, eine sog. Gelernte Hilflose, lernte sukzessive,
ihre ihr einst anerzogene Angst, einen Fehler zu begehen, runterzutrainieren
und so versetzte sie sich in die Lage, mehr und mehr Verantwortung
und Initiativen zu übernehmen. Erst hierdurch wurde es jetzt ihrem
Mann Walter möglich, an ihrer Seite auch einmal auszuspannen,
abzuschalten! (Früher hatte sie ihn durch ihre Passivität stets
angetrieben und ihm ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn er denn
einmal ausruhen wollte und so - unbewusst - mit zu seiner koronaren
Herzerkrankung beigetragen).
Ein weiteres Thema erscheint mir eminent wichtig:
die Fähigkeit zur Kooperation. Nach dem Zoologen Adolf Portmann
sind wir Menschen Spezialisten im Nichtspezialisiersein und somit
nur in der Gruppe überlebensfähig, d. h. durch Kooperation. Durch
die Entwicklung der Sprache erreichten wir gegenüber den Tieren
ein Maximum an Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Umberto Maturana
versteht die Sprache als Kooperation der Kooperation. (mdl. pers.
1985). Somit habe ich die Hypothese, dass ein menschliches Zusammenwirken
über die Zeit dann von Erfolg gekrönt ist, wenn zu 75% Übereinstimmung,
und zu 25% konstruktive Kritik vorkommt.
Ein Höchstmass an sich Verstandenfühlen, an Wertschätzung,
an Verstärkung erfährt ein Mensch nun dann, wenn sein Gegenüber
ihm über die Aktivität seiner Spiegelzellen signalisiert, dass
er eben dasselbe empfindet. Wir sprechen hier von Resonanz. Meine
Beobachtung ist nun die, dass, je schwerwiegender jemand erkrankt
ist, eine um so geringere Resonanz in seinem familiären Umfeld
zu registrieren ist. Ein Maximum an dissonanten Umgehen mit einander
erlebe ich immer wieder entweder in Familien mit einem an einem
Karzinom Erkrankten, als auch in Familien mit einem Psychotiker.
Gelingt es alle Mitglieder einer Familie von
Dissonanz auf mehr gegenseitige Resonanz "zu schalten", kann sich
auf einmal auch eine schwerwiegende Erkrankung zurückbilden. Ein
weiterer Aspekt einer dysfunktionalen Kommunikation ist mir aufgefallen:
Wird ein Lebewesen immer wieder in Situationen der Ohnmacht
gebracht, baut sich in ihm eine zunehmende Angst vor solchen
Ereignissen auf und im Sinne der Abwehr gegen solche Ärgernisse,
entwickelt es Abwehrstrategien: Ein Mensch, dem immer wieder nachgewiesen
wurde, "es ist falsch, was Du da gemacht hast", bzw. "Du hast
mich mit Deinem Verhalten enttäuscht", wird entweder auch nur
den geringsten Ansatz von Kritik an seiner Person vehement unterdrücken;
sei es mit erhobener Stimme, sei es gar mit körperlicher Gewalt
= Aggression nach außen; oder aber er setzt den Zwang! zur Perfektion
ein, um ja keinen Fehler nachgewiesen zu bekommen. Dies unentwegt
solange, bis vor lauter Grübeln - ein stetiges Nachdenken, ja
keinen Fehler zu begehen - durch diese anhaltende Anspannung,
sich eine psychosomatische Krankheit einstellt: gleich Feindseligkeit
gegen sich selber!
Das sog. Böse im Menschen entsteht demnach, meiner
Beobachtung zufolge, aus immer wiederkehrenden Ohnmachtsituationen
in der Kindheit: Statt "erlöse uns von dem Bösen", sollte es zweckmäßiger
heißen: "Gib uns Mut und die Kraft, das Böse in uns wahrhaben
und niedertrainieren zu können!"
Im Wesentlichen beziehe ich mich auf die Bücher
von Herrn Joachim Bauer: "Das Gedächtnis des Körpers", Serie Piper
Nr. 4179 und Klaus Dörner "Der gute Arzt", Schattauer Verlag,
als auch das Buch des Nobelpreisträgers Bernard Lown: "Die verlorene
Kunst des Heilens", Schattauer Verlag), Eric Kandel: "Auf der
Suche nach dem Gedächtnis". Empfehlenswert ist auch die Literatur
von Prof. Joachim Bauer, Freiburg: "Warum ich fühle was Du fühlst".
Den Start in die systemische Welt löste einst Herr Prof. Helm
Stierlin mit seinem Buch: "Das Tun des Einen, ist das Tun des
Anderen" aus; Suhrkamp 1976; ihm verdanke ich meine Zukunft!
Bernd Frederich
Im Oktober 2007
Patienten, die sich in eine Psychotherapie
begeben, sind irgendwo in ihrem Leben gescheitert.
Ein für sie wichtiger Wunsch ging nicht in Erfüllung
bzw. sie konnten eine Aufgabenstellung für sich nicht befriedigend
lösen. Diese "anhaltende" Enttäuschung wurde dann eines Tages
entweder in Feindseligkeit nach außen, z. B. gleich Scheidung,
und oder aber in eine Erkrankung umgesetzt.
Hieraus folgt, dass eine psychotherapeutische Begleitung eines
Patienten lösungsorientiert sein muss: Am Ende der Therapie sollte
der Klient/Patient "über einen vollen Werkzeugkoffer an Lebensbewältigungsinstrumenten
verfügen"! (Es geht um eine Erweiterung der Denk-, Gefühls- und
Handlungsmöglichkeiten).
Wie kommt es nun, dass Menschen sich nicht in der Lage sehen,
alltägliche Hausaufgaben zu ihrer Zufriedenheit erledigen zu können?
In einer in der Jugend anerzogenen "Angst" sehe ich die Ursache
für ein eingeschränktes Fühlen, Denken und Handeln. Da es keine
perfekten Eltern gibt, muss nahezu ein jedes Kind irgendwo auf
ein spezielles Thema hin enttäuscht werden, und konsequenterweise
entwickelt es dann einihm spezifische Angst.
Nach Rolf Klüwer hat jeder Mensch sein Thema. "Ein Patient wird
von seinem Thema beherrscht (wie von seiner Übertragung). Er kann
nicht anders, als sich von den Konflikten bestimmt zu erleben,
die das Thema herbeiführt; es wird entweder zu symptomatischen
Lösungen führen oder agiert, ...
Diese verinnerlichte Angst wird in den Mandelkernen gespeichert
(siehe auch u.a. die Forschungsergebnisse der Neurobiologen Joseph
LeDoux, Gerald Hüther, Gerhard Roth und Manfred Spitzer). Mit
der Zeit gelernte Abwehrstrategien lassen dann eines Tages diese
introjizierten Ängste unbewusst machen, aber selbstverständlich
wirken sie ungebremst weiter und schränken das Lebensbewältigungsinstrumentarium
des Betreffenden immer wieder ein: Bestimmte Lösungen sind dann
nicht mehr erreichbar.
Eine anhaltende Angst und hieraus folgende unbefriedigend bis
gar nicht gelöste Problemstellungen aber bewirken in einem Organismus
eine anhaltende Anspannung (= Dis-Stress).
Nun wissen wir aber seit I. Prigogine, dass ein Organismus nur
dann zu leben vermag, wenn es für ihn einen stetigen Wechsel von
Anspannung und Entspannung gibt (= Eu-Stress). (I. P. bekam hierfür
seinen Nobelpreis). Misstrauen-, gleich Angst, gleich anhaltende
Anspannung wird dann eines Tages in Kombination mit ungünstigen
Erbfaktoren, zufällig anwesenden Bakterien/Viren oder anderer
Noxen, in eine Verhaltensauffälligkeit oder Krankheit umsetzt,
z. B. vom Waschzwang bis hin zu Depressionen, Psychosen oder organischen
Erkrankungen wie Neurodermitis, Colitis ulcerosa, M.Crohn, MS
usw.).
Logischer- und konsequenterweise muss es Ziel der Therapie sein,
1. dem Patienten bewusst zu machen, welche einst anerzogene Angst
ihn bisher gesteuert hat und welche Abwehrmechanismen er dagegen
einsetzten kann und
2. dem Patienten Mut zu machen, in Zukunft davon auszugehen, dass
sein Angst nur noch in den wenigsten Situationen gerechtfertigt
ist, dass er auf sein bisheriges Thema bezogen (kontrolliertes)
"Vertrauen" in die Mitmenschen entwickeln darf (Blauäugigkeit
ist die Rückseite der Medaille des Misstrauens!). Diese neue Haltung
wird eine sukzessive Entspannung im Organismus des Patienten bewirken:
Feindseligkeiten nach außen und Krankheiten (Feindseligkeiten
nach innen) können sich zurückbilden.
Die Therapie hat somit zu berücksichtigen, welches Misstrauen,
welche angstbesetzten Gedanken den Patienten bisher steuerten
(wie kommunizierte er bisher mit sich selber?! = psycho) und welche
ihm angstmachenden Botschaften wurden ihm bisher von seinen Familienmitgliedern
immer wieder entgegengebracht (wie kommunizierte er mit seinem
Umfeld? = sozio). Hieraus ergibt sich der therapeutische Ansatz
nach George Engel der bio-psycho-sozialen Medizin (bio steht für
die Körpermedizin).
Ein Fallbeispiel: 1988 ereilte mich - obwohl schlank, Nichtraucher,
keine Hypertonie, kein Diabetes Mellitus und auch kein Bewegungsmangel
- eine koronare Herzerkrankung. Eine Dilatation misslang, so dass
ein Bypass gesetzt werden musste. Mehrfach erfüllte ich anschließend
die Bedingungen für das Sportabzeichen. Dennoch mussten 1994 und
1999 die Herzkranzgefäße wieder aufgedehnt werden, bis mir
endlich bewusst wurde, dass ich ein Leben lang von einer ungeheuren
Angst, immer zu langsam zu sein, nicht genügend Leistung zu erbringen,
getrieben wurde. Mein mir bis vor kurzem unbewusstes Misstrauen
war stets, "die wollen mir übel!"(Meine Mutter war eine äußerst
ungeduldige Frau und ihr Leistungsanspruch an mich war praktisch
nie zu erfüllen gewesen! Und ihr Repertoire an Sanktionen bei
zu wenig Leistung war drastisch). Seit ich nun erfolgreich trainiert
habe, mit gutem Gewissen auch mal langsam sein zu können - nicht
alles so schnell begreifen zu müssen und zu denken: "Die wollen
mir wohl!" brauche ich nicht mehr auf den Herzkathedertisch.
Ähnliche Erfolge kann ich inzwischen bei meinen Patienten mit
Neurodermitis, Colitis ulcerosa, M. Bechterew, multipler Sklerose,
c. P., Depressionen usw. erzielen.
Heute zeige ich somit den einzelnen Mitgliedern einer Patientenfamilie
auf, wie ein jeder vertrauensvoller und damit vorurteilsfreier
mit sich selber zu kommunizieren vermag.
Aber es ist auch von elementarer Wichtigkeit, den Partner des
Erkrankten mit in den therapeutischen Prozess einzubeziehen, denn
nach meiner Beobachtung neigen wir Menschen dazu, uns über den
Mechanismus des Sich-Verliebens treffsicher genau den Lebensgefährten
auszusuchen, der in seiner Psychodynamik uns immer wieder Gründe
bzw. Bestätigung für unser in der Kindheit gelerntes Misstrauen
liefert.
"Das Tun des Einen ist das Tun des Anderen" formulierte H. Stierlin
bereits 1977 in seinem Buch mit dem gleichnamigen Titel. Oder
nach K. Lorenz: In der Jugend werden nicht nur Graugänse geprägt,
sondern tendenziell auch wir Menschen, und so neigen wir im Erwachsenenleben
zur Reinszenierung unserer Jugendbühne. Somit kann ein gedeihliches
Zusammenleben von Partnern/Eheleuten erst dann funktionieren,
wenn "beide" ihr in der Kindheit akquiriertes Misstrauen wahrhaben
und anschließend zu reduzieren gelernt haben.
Stand 03.02.2002
Zusammenfassung (Abstract) vom 30.08.2005)
Gesund ist bzw. bleibt, wer sich - angemessen - abzugrenzen
bzw. durchzusetzen weiß.
Ich gehe strikt davon aus, dass ein jeder Mensch bei seiner
Geburt über sämtliche Anlagen zu allen Fähigkeiten, zu allen Gefühlen
und zu allem Denken, was später für ein erfolgreiches Leben notwendig
ist, verfügt. Diese Anlagen aber können nur dann zum Wachsen,
Blühen und Gedeihen kommen, wenn ein entsprechendes Elternhaus
dies möglich macht.
Ohne den Eltern einen Vorwurf machen zu wollen - denn sie hatten
ja auch Eltern - verlässt wohl kaum ein Mensch sein Elternhaus
ins Erwachsenenleben hinein, ohne nicht eine Einschränkung, sei
es im Verhalten, sei es im Fühlen, sei es im Denken (Emotion,
Kognition, Verhalten) verinnerlicht haben zu müssen. Kommt nun
eine Aufgabe auf einen Menschen zu, die genau dasjenige Werkzeug
erfordert, welches einem einst in der Kindheit verboten worden
war, gerät dieses Individuum in eine Ohnmachtsituation, Hilflosigkeit,
welche sie entweder mit Feindseligkeit nach außen (das sog. Böse)
und/oder aber als Feindseligkeit gegen sich selber, gleich Krankheit
zu richten vermag: Die Fähigkeit zum Handeln bzw. zum Lieben,
Partnerschaftsfähigkeit, sind dann eingeschränkt.
Prof. Mihaly Csikszentmihalyi ("Das Flow-Erlebnis", "Lebe gut")
fand heraus, dass wir Menschen dann am glücklichsten sind, wenn
wir nicht nachzudenken brauchen. Mit anderen Worten, wenn wir
in einem Tun so versunken sein können, "dass man die Umwelt um
uns herum wegtragen könne, ohne dass wir es bemerkten". Er nennt
dies das Flow-Erlebnis, in Deutsch ein Trance- bzw. meditativer
Zustand.
So lange wir Menschen über all die Werkzeuge verfügen, die notwendig
sind, um die alltäglich anstehenden Probleme gelungen lösen zu
können, ist ein Nachdenken, Grübeln nicht erforderlich.
Den größten Teil unseres Alltages bewältigen wir mehr oder weniger
automatisch bzw. unbewusst.
Aber immer dann, wenn uns ein Werkzeug fehlt, um das vor uns liegende
Problem lösen zu können, sind wir gezwungen, anhaltend nachdenken
zu müssen, und sofort geraten wir in eine Daueranspannung (Disstress),
die dann unser Organismus im Zusammenhang mit ungünstigen Erbfaktoren,
zufällig anwesenden Bakterien/Viren usw. in eine Erkrankung umsetzt.
Nobelpreisträger I. Prigogine fand heraus, dass ein organisches
System, sei es eine Pflanze, sei es ein Tier, sei es ein Mensch,
über die Zeit nur dann zu überleben vermag, wenn sich Anspannung
und Entspannung ständig abwechseln: Ein biologisches System muss
schwingen. Die Einschränkungen bzw. die Verbote im Handeln und
Fühlen sind einem Menschen über Angstmachen implementiert worden,
und diese Ängste finden wir nach Prof. LeDoux in den Mandelkernen
im Hypothalamus.
U.a. nach M. Spitzer, ein ausgewiesener Psychiater und Neurobiologe
in Ulm, sind neue synaptische Verschaltungen im Gehirn nur dann
zu erzielen, wenn die betreffende Person sich ein neues Verhalten
traut, d. h. in Handlung geht (reden allein bringt keine Veränderung
im Gehirn).
Insofern muss die Therapie darauf abzielen:
1. dem Patienten seine, ihm verinnerlichten und in den Mandelkernen
liegenden Ängste bewusst zu machen (über "gelungene" Abwehrstrategien
hat er diese bisher im Unterbewussten verdrängt gehalten. Z. B.
jemand, der in seiner Kindheit zu verinnerlichen hatte, nur keine
Fehler zu machen, wird als Abwehr den Hang zur Perfektion einsetzen).
2. ist dem Patienten Mut zu machen, genau dasjenige zu wagen,
was ihm bisher verboten war. Also, dass er z. B. jetzt Fehler
machen darf bzw. andere enttäuschen darf oder auch einmal schuldig
sein darf.
Nur ein permanentes Üben, begleitet von emotional positiven Bildern
(siehe J. U. Martens und J. Kuhl "Die Kunst der Selbstmotivierung"),
bringt neue synaptische Schaltungen, die dann eines Tages die
alten, angstbesetzten neuronalen Pfade in den Hintergrund drängen.
Diese neuen Schaltungen bewirken dann "einen vollen Werkzeugkoffer
an Lebensbewältigungsstrategien", was es dem Individuum jetzt
ermöglicht, alle alltäglich anfallenden Probleme zu lösen. Es
gibt kein Grübeln mehr und somit keine anhaltende Anspannung und
somit keine Symptombildung, keine psychologisch mitbedingte Erkrankung.
Diese Sehweise sei nun dargestellt am Beispiel eines Neurodermitikers.
Frau Chr. Rau fand in ihrer psychologischen Diplomarbeit im Jahre
2000 heraus, dass Neurodermitiker zu viel Verantwortung tragen
(dies als Ergebnis der inkonsequenten Erziehung durch die Mutter).
Wenn man einer Familie mit einem neurodermitischen Kleinkind Mut
macht, endlich konsequent und einheitlich zu erziehen, so bildet
sich auch sukzessive die Neurodermitis bei dem Kleinen zurück).
Dieses Zuviel an Verantwortung tragen schließt ein Nein sagen
aus, bzw. Neurodermitiker tun sich schwer, sich für eigene Ziele
und Interessen einzusetzen. Immer dann, wenn sie eigentlich Nein
sagen müssten und sich dies nicht trauen, beginnt der fatale Juckreiz
mit folgendem Kratzen und folgendem Zerstören der Haut.
Permanent grübeln Neurodermitiker: Ihre ununterbrochenen Überlegungen
gehen dahin, andere ja nicht zu enttäuschen, und daher ist ihnen
ein Nein sagen verboten. Dieses Nicht-nein-sagen-Dürfen löst dann
den Juckreiz aus.
Gelingt es nun einem Neurodermitiker mit bestem Wissen und Gewissen,
d. h. ohne Angst, auch einmal Nein zu sagen, und damit eigene
Interessen in den Vordergrund zu rücken, so bildet sich dann auch
sukzessive diese Autoimmunerkrankung zurück.
(Von Herrn Prof. Birbaumer, Tübingen, für in Ordnung befunden)
Im Wesentlichen beziehe ich mich auf die Bücher
von Herrn Joachim Bauer "Das Gedächtnis des Körpers", Serie Piper
Nr. 4179 und Klaus Dörner "Der gute Arzt", Schattauer Verlag,
als auch das Buch des Nobelpreisträgers Bernard Lown "Die verlorene
Kunst des Heilens", Schattauer Verlag.
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