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Die für mich schönste Definition von Familientherapie
lautet: "Wir wollen die Erweiterung der Handlungs-, Denk- und
Gefühlsmöglichkeiten der Klienten.
Abbildung:
Familien-Psycho-Somatik
Anerzogene Ängste reduzieren die Möglichkeiten im Handeln, Fühlen
und Denken. Familientherapie möchte dies rückgängig machen.
Im Rahmen der Familientherapie gehen wir davon aus, dass in jedem
Menschen ein großes Potenzial an Möglichkeiten zu Fühlen, zu Denken
und zu Handeln vorhanden ist. Ein jeder Mensch ist voller Ressourcen!
Nur leider sind bei diesem oder jenem ein Teil der Quellen durch
angstbesetzte Erlebnisse in der Kindheit, verschüttet und so kann
im Erwachsenenleben nur noch ein Teil der einst vorhandenen Möglichkeiten
zum Zuge kommen.
Ein Beispiel: Meine Mutter war eine äußerst ungeduldige Frau.
Wenn ich nicht schnell genug begriff, nicht flink genug all ihre
Aufträge erledigte, setzte es Hiebe und zwar nicht zu knapp. So
lernte ich einerseits, das meiste schnell zu kapieren und Dinge
schnell zu erledigen, aber andererseits war mir nicht zugänglich,
mal zu genießen, zu entspannen, gegenüber Arbeitsaufträgen ein
entschiedenes Nein zu sagen.
Die Folge war eines Tages eine Herzkranzgefäßverengung... Die
Schulmedizin rettete zwar über eine Bypass-Operation mein Leben,
aber nach einiger Zeit waren wieder Engpässe da, die die Blutversorgung
meines Herzmuskels einschränkten und mein Leben zu beenden drohten.
Erst als mir bewusst wurde, dass ich eine panische Angst vor Langsamkeit
hatte und daher mit mir stets hoch ungeduldig umging und ich mich
so immer wieder unter Zeitdruck setzte und ich diesen anerzogenen
Mechanismus langsam niedertrainierte, gaben meine Herzkranzgefäße
Ruhe, d. h., es kam nicht mehr zu Verengungen.
Übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie sich die Möglichkeiten
der Schulmedizin und der FamilienPsychoSomatik ergänzen können,
ja müssen. (Noch mehr darüber in dem Link coronare Herzkrankheit.)
Wenn es also im Rahmen der Familientherapie darum geht, verschüttete
Quellen freizulegen, kann man folgerichtig sagen, dass diese Form
von Beratung eine ressourcenorientierte Methode ist. Hier wird
niemand zur Sau gemacht; hier werden keine niedermachenden Diagnosen,
wie neurotisch, analfixiert oder retardiert, verteilt, sondern
wir wollen "Orchideen über Nacht zum Erblühen bringen!"
Die ersten Anfänge der Familientherapie gehen auf die 50er Jahre
in den USA zurück. Es waren ursprünglich in der Mehrzahl Psychiater/Analytiker
(!!!), die im Rahmen einer hohen Fähigkeit zur Selbstkritik die
Konzepte von S. Freud auf ihre Wirksamkeit überprüften und dabei
feststellten, dass manche seiner Vorschläge nicht nützlich waren.
So sind wir Familientherapeuten heute so unverschämt und führen
das, was sich von Freud bewährt hat, weiter und das was sich als
ineffizient erwies, lassen wir bleiben und fügen noch neueste
Erkenntnisse der Hirnforschung hinzu!
Einige Begründungen für Familientherapie: Der Patient in einer
Einzeltherapie - und mag er noch so ehrlich sein - kann mir viel
erzählen. Er erzählt mir halt seine Wahrheit. Ist der Partner
dabei, gibt es Korrekturen, und der Therapeut kommt der Wahrheit
der Familie viel näher. Was dem Patienten nicht einfällt, erinnert
vielleicht sein Gefährte: Es gibt viel mehr Informationen. Hat
der Therapeut eine ganze Familie vor sich, so ist es für ihn viel
leichter, neutral zu bleiben.
Ist er z. B. als Mann einer attraktiven Frau alleine ausgesetzt
... Nur wenn die ganze Familie anwesend ist, kann der Therapeut
deutlich sehen, welche unzweckmäßigen Kommunikationsmuster in
diesem System ablaufen. (Ein zur Verächtlichkeit gegenüber Frauen
neigender Mann wird mir gegenüber diese Verhaltensweise kaum zeigen.
Ist aber seine Ehefrau dabei, ist die Wahrscheinlichkeit groß,
dass ihm irgendwann einmal diese Geringschätzung herausrutscht.)
Wenn sich jemand im Rahmen einer Einzeltherapie ändert bzw. ändern
möchte, werden die zu Hause Verbliebenen automatisch blockieren
(!), denn kaum ein Mensch mag Veränderungen. So ist ein Scheitern
der Therapie bereits wieder vorprogrammiert. Oder aber es gelingt
jemandem aus einer Einzeltherapie heraus sich zu verändern und
schon ist Scheidung angesagt, oder aber ein zu Hause Gebliebener
wird jetzt krank: Einer Frau mit einer Erschöpfungssymptomatik,
da sie gegenüber Arbeitsaufträgen nicht Nein sagen konnte, machte
ich im Rahmen einer Einzeltherapie (dies war noch zu Beginn meiner
psychotherapeutischen Ausbildung) Mut, doch hin wieder einmal
an sich zu denken und die Hände in den Schoss zulegen. Prompt
rief mich ihr Mann ein paar Tage später, ziemlich alkoholisiert,
genau um Mitternacht an und beschimpfte mich in seinem Odenwälder
Dialekt: "He Doc, was mach`ste mit meiner Frau? Die holt mir kein
Bier mehr aus dem Keller. So geht's ja nicht!"
Wer sich mehr mit dem Thema der Familientherapie befassen möchte,
dem seien - auswahlweise - folgende Bücher empfohlen:
Literatur über das Thema Familientherapie:
Böse, R., Schiepek, G.
Systemische Theorie und Therapie. Asanger Verlag
McDaniel, S., Hepworth, J., Doherty, W.J.:
Familientherapie in der Medizin. Auer Verlag
Hoffman, L.:
Grundlagen der Familientherapie. Iskopress
Imber - Black, E.:
Die Macht des Schweigens. Klett-Cotta
Kanfer, F. H. ,Reinecker, H., Schmelzer, D.:
Selbstmanagement-Therapie
Ludewig, K.:
Systemische Therapie. Klett-Cotta
Rapaport, A.:
Allgemeine Systemtheorie. Verlag Darmstädter Blätter
Reiter, L., Brunner, E.J., Reiter-Theil, S.:
Von der Familientherapie zur systemischen Perspektive. Springer Verlag
Schiepek, G.:
Die Grundlagen der systemischen Therapie. Vandenhoeck
Schlippe, A., Schweitzer, J.:
Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung. Vandenhoeck
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